Ein anderer Mensch macht seinem Briefträger noch größeren Kummer: Sein Briefkasten ist nämlich viel zu klein für die Dutzende von Briefen, die täglich eintreffen. Und alle Briefe sind privater Natur. Gibt es nicht? Gibt es doch! Der Mensch ist ein Spielleiter...
Die Mitspieler schicken ihm jede Runde ihre Spielzüge, in denen sie ihre Aktionen der neuen Runde angeben. Spätestens zum vorgegebenen Zugabgabetermin müssen die Spielzüge beim Spielleiter vorliegen. Aus diesen ermittelt der Spielleiter (oft unter Verwendung eines Computers) die Ergebnisse der aktuellen Runde und fasst sie in einer Auswertung in schriftlicher Form zusammen (mit Schreibmaschine oder Textverarbeitungssystem).
Zur Übermittlung der Auswertung an die Mitspieler gibt es zwei verschiedene Methoden:
In den letzten Jahren wird die Kommunikation zwischen Spielern und Spielleitern vermehrt per E-Mail durchgeführt. Es ist abzusehen, dass sich über kurz oder lang ein erheblicher Teil der Postspielszene ins Internet verlagern wird.
Das Infoheft PBM '01 beschreibt die Szene der pbm-Zines in Deutschland. Jährlich erscheint eine aktualisierte Ausgabe zu den Internationalen Spieltagen in Essen.
Herausgeber: Lukas Kautzsch, An der Roßweid 18a, 76229
Karlsruhe
E-Mail-Adresse: lukas@oberfoul.de
Preis: 4,50 DM (plus 1,50 DM Porto)
In diesem Infoheft dreht sich alles um die Szene der pbm-Zines. Alle weiteren Aussagen gelten also für die Abwicklung von Postspielen in Zines und nicht unbedingt auch für die Spiele mit individuellen Auswertungen, die oft von kommerziellen Anbietern durchgeführt werden. Zeitschriften, die sich speziell mit dieser Sparte des Hobbys befassen, gibt es leider derzeit keine mehr.
Doch auch für die abstrakten "Tüftelspiele", wo jeder Mitspieler (fast) ohne Interaktion mit den anderen logische Probleme zu lösen hat, ist oft ein erheblicher Zeitaufwand nötig. (Manche Spieler haben sich schon Computerprogramme geschrieben, die sie bei der Zugerstellung unterstützen.)
Je nach Spiel machen in einer Partie nur zwei oder drei (selten), meist vier bis zwölf und gelegentlich noch viel mehr Spieler mit -- bei Postspielen in Zines aber kaum mehr als 100. Bei den meisten Spielen liegt die Teilnehmerzahl nach dem Start der Partie fest, bei einigen kann man aber auch jederzeit einsteigen -- das sind dann solche mit "beliebiger Teilnehmerzahl".
In manchen Spielen ist es notwendig, dass die Spieler "private" Informationen bekommen, also solche, die ihre Gegner nicht sehen sollen. Wenn die Menge dieser Informationen nicht zu groß ist, können sie geeignet codiert in der Auswertung abgedruckt werden, sodass sie nur der jeweilige Empfänger versteht. Vor dem Start der Partie müssen dann natürlich Spieler und GM entsprechende Codes verabreden. Sind umfangreiche private Informationen nötig (z.B. bei Spielen mit begenztem Sichtbereich, wo jeder keineswegs sämtliche Informationen über die gesamte Karte hat, sondern nur seinen eigenen Teilbereich sieht), müssen individuelle Auswertungen verschickt werden -- solche Spiele eignen sich also nicht zur Durchführung im Zine selbst.
Ein "kurzes" Spiel dauert etwa 10 Runden, ein "langes" über 20, und dann gibt es noch die ewigen Spiele, die theoretisch nie aufhören und praktisch nur dann, wenn der Spielleiter oder alle Spieler keine Lust mehr dazu haben. Je nach Erscheinungsrhythmus des Zines dauert eine Postspiel-Partie also mindestens ein halbes Jahr, meistens ein bis zwei Jahre oder eben auch ewig. Man sollte also nur mitmachen, wenn man sich sicher ist, dass man bis zum Ende durchhält (sofern es eines gibt). Durch einen plötzlichen Ausstieg aus einer laufenden Partie verdirbt man nämlich meistens den Mitspielern den Spaß, weil das weitere Spiel dann irregulär verläuft. (Aus den ewigen Spielen kann man bei rechtzeitiger Ankündigung durchaus in gegenseitigem Einvernehmen aussteigen.)
Ein Abonnement funktioniert bei fast allen Zines folgendermaßen: Man zahlt einen Betrag eigener Wahl ein (z.B. 20 DM) und bekommt dann solange die neuen Ausgaben geschickt, wie das Guthaben zu ihrer Bezahlung ausreicht. Der persönliche Kontostand jedes Abonnenten wird normalerweise auf dem Adressetikett angegeben, und wenn er gegen Null geht, wird oft ein Hinweiszettel beigelegt oder eine entsprechende Markierung im Heft angebracht. Bei negativem Kontostand wird in der Regel kein Heft mehr verschickt.
Das (zeitaufwendige) Verfassen und Lesen fantasievoller Pressebeiträge ermöglicht eine Atmosphäre, wie sie am Tisch fast nur bei Rollenspielen vorkommt: Besonders in anonymen Partien, aber praktisch in jedem Spiel kann man viel Spaß daran haben, sich ein Image aufzubauen und sich dabei mit anderen Spielern gegenseitig "die Bälle zuzuwerfen". Einige Postspiele werden sogar hauptsächlich zwecks Veröffentlichung lustiger Pressebeiträge durchgeführt! Dadurch sind oft auch Auswertungen von Partien lesenswert, bei denen man selbst nicht mitspielt.
Manchmal hört man das Vorurteil, bei Postspielen käme die Kommunikation zwischen den Spielern viel zu kurz. Das stimmt nicht unbedingt: Erstens entstehen insbesondere durch Verhandlungsspiele Bekanntschaften zwischen Leuten, die sich sonst nie kennengelernt hätten, zweitens gibt es im Zine über Presse und Leserbriefe die Möglichkeit, sich über Gott und die Welt zu unterhalten, und drittens treffen sich Postspieler gelegentlich bei sogenannten Cons (Spielertreffen) persönlich.
Die alljährlichen Internationalen Spieltage in Essen sind traditionell der wichtigste Treffpunkt der Postspiel-Szene: Die Arbeitsgemeinschaft der Amateur-Postspiel-Zeitschriften stellt dort (fast) jedes Jahr einen eigenen Stand als Treffpunkt für Postspieler und solche, die es werden wollen (bei der SPIEL '01: Stand 6-87). Seit 1991 gibt es auch einen jährlichen gemeinsamen Con der Zine-Szene; der Zine-Con '02 findet am 26.04.-01.05.2002 in der Evangelischen Jugendbildungsstätte in Höchst im Odenwald statt.)
Man muss damit rechnen, dass es durchaus einen Monat dauern kann, bis das angeforderte Probeheft eintrifft, denn von den meisten pbm-Zines werden immer nur soviele Exemplare jeder Ausgabe hergestellt, wie aktuell benötigt werden. Trifft die Anforderung eines Probehefts also kurz nach dem Versand einer neuen Ausgabe ein, muss der Interessent auf die nächste warten. Dem Probeheft kann man dann die Abonnementsbedingungen entnehmen, speziell die Kontonummer des Herausgebers für die Überweisung der ersten Einzahlung -- falls man sich zum Abonnement entschließt. (Bargeld wird meistens auch akzeptiert, der Versand per Brief ist aber riskanter.) Außerdem findet man in der Liste der Freien Spielplätze die aktuellen Möglichkeiten zum Einstieg in neue oder laufende Postspiel-Partien.
Vor der Anmeldung zu einer Partie sollte man sich unbedingt die entsprechenden pbm-Regeln besorgen, die man gewöhnlich auch beim Herausgeber des Zines bekommt (gegen Einsendung von Briefmarken bzw. Abbuchung vom eigenen Abokonto). Basiert ein Postspiel auf einem im Handel erhältlichen Spiel, so sind die pbm-Regeln meist nur Ergänzungen zu dessen Originalregeln, und letztere können aus urheberrechtlichen Gründen nicht mitgeliefert werden. In diesen Fällen ist also die Teilnahme am Postspiel nur sinnvoll, wenn man das Originalspiel besitzt oder wenigstens kennt. Es gibt aber auch viele Spiele, die speziell als Postspiel entwickelt wurden, und von diesen bekommt man die kompletten Regeln. Schließlich gibt es noch die Gruppe der Varianten-Regeln, die die pbm-Regeln eines Grundspiels voraussetzen.
Sobald sich zu einer angebotenen Partie die nötige Anzahl von Mitspielern angemeldet hat, wird der Spielleiter im Zine den Spielstart bekanntgeben und die ersten Spielzüge von den Spielern verlangen. Oft werden auch die Adressen aller Teilnehmer angegeben, damit sie miteinander verhandeln können. (Es gibt aber auch anonyme Partien, wo die Mitspieler unter Pseudonymen auftreten und nicht direkt miteinander verhandeln dürfen.) Anschließend läuft die Partie dann, wie oben beschrieben, in hoffentlich regelmäßigem Rhythmus ab.
Lukas Kautzsch, 2001-09-19